News über CATIA und 3DEXPERIENCE

How to sell 3DExperience Platform?

Unser Herr Rembold war am 10. Mai 2017 auf einem Dassault Systèmes (DS) Workshop: "3DEXPERIENCE Platform First". Anbei seine persönliche Zusammenfassung:

Hatte die Gelegenheit, an einem sehr interessanten, wenn auch "verstörenden" Workshop von Dassault teil zu nehmen. Das Thema war "3DEXPERIENCE Platform First" oder "How to sell the 3DExperience Platform?".

Dassault hatte hierzu mit Andy KALAMBI, 3DS Vice-President of 3DEXPERIENCE Platform, einen hochrangigen Vertreter geschickt. Sicherlich mit dem Auftrag, die Widerstände und Blockaden gegenüber 3DExperience aufzubrechen.

Der Workshop ging um die zentrale Frage, wie man die 3DExperience Platform erfolgreich verkaufen kann. Die Jungs von DS waren nicht zimperlich und haben erstmal einiges klargestellt: 3DExperience zielt nicht auf den PLM-Markt. Dassault hat die Idee von ENOVIA (PLM) zugunsten von 3DExperience aufgeben. Als Steve Jobs das iPhone vorgestellt hat, war klar, dass das zum Tod des iPod führen wird. Ähnlich verhält es sich mit ENOVIA. Es ist nur noch Bestandteil der Plattform, aber nicht mehr zentrales Unterscheidungsmerkmal: "Dassault is not about PLM, it is about 3DExperience!"

So war dann auch die erste Antwort auf die Frage, wie man die Plattform verkauft: "Do not sell PLM!" Begründet wurde das damit, dass man nur verliert, wenn man sich auf Höhe von PLM mit den Mitbewerbern misst, da es bei PLM kaum Unterscheidungsmerkmale mehr gibt. Zu viele Jäger sind des Jägers Tod.

Aus Sicht des Kunden macht es wiederum auch nicht viel Sinn, sein altes PDM-System durch ein neues zu ersetzen, da das PDM-System keinen direkten Einfluss auf seine Produkte hat. Die Prozesse werden ein bisschen geschmiert, aber die Möglichkeiten, smartere Produkte herzustellen, nicht gestärkt, so das Credo der DS-Vertreter.

Das war erst einmal der Brocken für alle, die angereist sind in der Hoffnung, dass DS erzählt, wie man erfolgreich PLM-Projekte mit ihren Produkten macht. Die Antwort: "Macht es nicht!"

Dementsprechend feindselige Stimmung entwickelte sich im Raum. Danach wurde definiert, was DS unter 3DExperience versteht: 3DExperience basiert auf zwei Paradigmen: "model based" (model driven) und "digitally connected".

Diese zwei Paradigmen sind auch die Unterscheidungsmerkmale zu den Mitbewerbern: "Model based" bedeutet, dass sämtliche Software mit ein und demselben Geometrie-Modell arbeitet, einen einzigen Geometrie-Modeller benutzt und über dieselben Input- und Output-Devices kommuniziert.

Die 3DExperience Plattform kann somit als eine Art Software-Hub gesehen werden. Für die, die mit diesem Begriff nichts anfangen können: sowas wie eine Mehrfachsteckdose. Man steckt einfach den Stecker rein und hat Zugriff auf die Ressource Strom.

Bei 3DExperience werden Apps auf die Plattform installiert und haben dadurch Zugriff auf die Ressourcen über die komplette Prozesskette hinweg.

"Digitally connected" ist einfacher zu verstehen. Es bedeutet, dass Daten nicht in Files (Container, Silos) abgelegt werden, sondern in einer Datenbank. Ein Beispiel: bei CATIA V5 werden Baugruppen-Informationen in der CATProduct-Datei gespeichert. Dies macht das gleichzeitige Arbeiten von mehreren Konstrukteuren an einer Baugruppe schwierig. Ganz anders bei CATIA V6: die Baugruppeninformation wird in der Datenbank gespeichert, alle prozessbeteiligten Personen haben parallelen Zugriff auf die aktuelle Verbauung.

Übersetzt man die beiden Paradigmen in unsere Alltagswelt bedeutet das: 3DExperience fängt erst bei CATIA V6 an! (Natürlich versucht man diese Funktionalität auch auf CATIA V5-6 Integration zurück zu implementieren – für die grandpas unter den digital natives.)

Sehr deutlich werden die Vorteile der 3DExperience Plattform bei der Bauteiloptimierung: In CATIA V5 (CATIA-Modeller) wird ein Bauteil konstruiert und in eine CATPart-Datei (Output: CATPart) gespeichert. Für die Gewichtsoptimierung des Bauteils wird meist eine STEP-Datei (Input: Step) erzeugt, aus der dann eine Mesh-Geometrie (Output: Mesh) erzeugt wird, um dann mit Abaqus die Geometrie (Abaqus-Modeller) zu optimieren. CATIA und Abaqus arbeiten mit unterschiedlichen Geometrie-Modellern, benutzen unterschiedliche Input und Output-Devices und können deshalb nicht direkt miteinander kommunizieren. Wenn man bedenkt, dass viele Optimierungszyklen notwendig sind, sieht man, wie langwierig so ein Prozess werden kann.

Anders sieht es in der 3DExperience-Plattform aus: CATIA V6 und Abaqus benutzen dasselbe Datenmodell und denselben Geometrie-Modeller, d.h. Abaqus kann CATIA-Parameter selbstständig verändern um die optimale Geometrie zu erzeugen. Dassault meint, dass Gewichtsoptimierung auf der 3DExperience-Plattform, um den Faktor 16 schneller ist, also die heutige Arbeit von 2 Tagen in einer Stunde zu schaffen ist.

Dassault geht noch weiter und sagt: Mit der 3DExperience Plattform werden sich die Strukturen in der Arbeitswelt verändern. Wenn junge Ingenieure in Unternehmen kommen, dann sind sie erstmal durch das Studium universell ausgebildet. In den Unternehmen werden sie dann meist zu Spezialisten geformt, weil die Tools nicht universell verfügbar sind. So gehen die einen z.B. in die Konstruktion, die anderen machen Bauteiloptimierung usw. Durch die 3DExperience-Plattform als Software-Hub verschwinden diese Grenzen. Bauteilkonstruktion und Gewichtsoptimierung findet in Zukunft an einem einzigen Arbeitsplatz statt, der Ingenieur wird wieder mehr zum Allrounder, aus mehreren Arbeitsplätzen wird einer. (Wenn daraus jetzt keine gute Story für unseren deutschen Mittelstand wird?)

Deutlich an diesem Tag wurde, dass sich Dassault nicht über die Datenbank definiert, sondern über die Applikationen. Das Bild vom Smartphone wurde oft verwendet. 3DExperience ohne die Applikationen (das reine ENOVIA) zu verkaufen, ist wie ein Smartphone ohne Apps zu verkaufen. Dann kommt das alte Nokia 6310 um die Ecke und lässt uns mit Akkulaufzeit und Telefonqualität alt aussehen. Erst die Apps führten dazu, dass heute kaum noch jemand mit Nokia telefoniert. Übersetzt in unsere Welt heißt das, verbleiben wir in der alten filebasierten Welt, dann werden wir keine Argumente gegen andere PLM-Anbieter und Co finden, da wir nicht die Applikationen mitbringen, die den Unterschied machen. Erst mit den neuen Apps und den daraus resultierenden Möglichkeiten verblassen die Stärken der Mitbewerber.

Dassault machte an diesem Tag auch deutlich, dass es nicht darum geht, andere PDM-Systeme zu verdrängen. Als prominentes Beispiel wurde Airbus vorgestellt: Einige Bereiche fest in der Hand von PTC-Windchill hat es Dassault geschafft, für die Gewichtsoptimierung der Bauteile die 3DExperience Plattform mit CATIA V6 und Abaqus zu platzieren.

Ebenso arbeiten sie gerade mit einem Baumaschinenproduzenten. Dessen Problem ist, dass er sich immer weniger von der asiatischen Konkurrenz absetzen kann. PLM hilft ihm hier auch nicht weiter. Erst mit der 3DExperience Plattform werden ihm Werkzeuge an die Hand gegeben, um smartere Produkte herzustellen. Das Ziel ist nun, die Bagger mit Sensoren auszustatten, die z.B. Erdkabel erkennen können. Damit der smartere Bagger auch in der Praxis funktioniert, ist sehr viel Simulation notwendig, keiner kann das besser als die 3DExperience Plattform – smartere Produkte durch eine smarte Software.

Als weiteres Beispiel wurde Exalead gebracht. Dassault meinte, dass Exalead fälschlicherweise immer als Suchmaschine gesehen wird. Wenn dies so wäre, dann hätte Dassault sehr viel Geld für etwas ausgegeben, was mittlerweile auch als Freeware zu haben ist. Es stimmt, mit Exalead kann man auch suchen, aber nicht wenige meinen, dafür ist es eigentlich zu sperrig. Das viele Geld hat Dassault für  andere Eigenschaften von Exalead ausgegeben. Mit Exalead hat Dassault ein Echtzeit-Analysetool für Big-Data. Exalead ist in der Lage, unterschiedlichste Datenformate sowie multiple Quellen aus verteilten Lokationen zu analysieren. Aber insbesondere ist Exalead in der Lage, von beliebigen 3D-Modellen sehr schlanke Drahtgeometrien zu erzeugen. Das können andere auch, aber im Zusammenspiel mit CATIA V6 ist es möglich, diese Daten nicht nur in kurzer Zeit zu laden, sondern auch die nativen Daten in dem Moment nachzuladen, in dem der Anwender in die Details geht. Big-Data-Management - die Datenbank macht es möglich: Unterscheidungsmerkmal: "digitally connected".

Mit dem Workshop hat Dassault versucht aufzuzeigen, dass man nur über die eigenen Stärken gewinnen kann. Die Stärken liegen in den neuen 3DExperience Applikationen, die auf der 3DExperience Plattform laufen. Die Plattform ermöglicht, dass Software optimal miteinander kommunizieren kann. PDM oder PLM bieten keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale mehr. Die Unterscheidungsmerkmale der 3DExperience Plattform zu Mitbewerbern sind "model driven" und "digitally connected".

Die Botschaft am Schluss war: "Die filebasierte CAD-Welt wird nicht mehr lange bestehen, die Frage ist nur, wer sie ablöst. Wenn wir es nicht tun, dann werden andere kommen!"

Die Industrie befindet sich derzeit in einem Umbruch. Autonomes Fahren, Elektromobility, smartere Produkte usw. sind neue Herausforderungen, die unsere Kunden zu meistern haben. Dassault liefert die Software, um diese neuen smarteren Produkte zu schaffen. Herausforderung der Systemhäuser wird es sein, den Kunden die neuen Möglichkeiten und Chancen aufzuzeigen.

Sicher, es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass PLM-Systeme anzubieten keine Rettung bedeutet, ist dies doch derzeit unsere Strategie. Lässt man sich allerdings auf Dassault ein, dann sieht es gar nicht so schlecht aus: Dassault will von uns eigentlich nur, dass wir weiterhin Applikationen aus den Familien Catia, Delmia und Simulia verkaufen. Mit den Applikationen kommt die 3DExperience Plattform als Software-Hub dazu. Und plötzlich kommt einem alles sehr bekannt vor: Mussten wir mit dem Wechsel von CATIA V4 nach CATIA V5 nicht schon einmal das Hosting-System wechseln? CATIA V4 lief auf Unix, CATIA V5 läuft auf Windows und jetzt CATIA V6 läuft eben auf der 3DExperience Plattform, na und? Uns doch egal! Klar, die Geschichten ändern sich, mit CATIA V4 wurden die Kanten rund und die Zeichentische ausgemustert. Mit CATIA V5 kamen die Varianten dazu und mit CATIA V6…

Das bleibt unsere Aufgabe! Klar wurde, dass die Herausforderungen weniger technischer Natur sind, sondern es gilt erst einmal Denk-Barrieren im eigenen Kopf zu durchbrechen, dann sich intensiv mit den Industrien auseinander zu setzen und dann den Kunden die neuen Möglichkeiten aufzuzeigen. Der Rest bleibt wie gehabt: viele, viele Lizenzen zu verkaufen.

 

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